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„Innovatives Pricing: Neue Ansätze und Methoden in Zeiten von Digitalisierung und Hyper-Wettbewerb“
 

Am 22.10.2015 veranstaltete die Wissenschaftliche Gesellschaft für innovatives Marketing (WiGIM) e.V. den 6. Deutschen Marketing-Innovations-Tag zum Thema „Innovatives Pricing: Neue Ansätze und Methoden in Zeiten von Digitalisierung und Hyper-Wettbewerb" im Marmorsaal des Presse-Clubs in Nürnberg. Kompetente Referenten aus Wissenschaft und Praxis nahmen zu diesem Thema Stellung, um mit den 60 Teilnehmer/-innen über neuartige Lösungen im Preismanagement sowohl im B2C- also auch im B2B-Kontext zu diskutieren.

Prof. Dr. Andreas Fürst (Präsident der WiGIM) eröffnete den 6. Deutschen Marketing-Innovations-Tag mit der Begrüßung der Teilnehmer und einer kurzen Einführung in die Thematik. Nach einem kurzen Überblick über vergangene Veranstaltungen, machte er deutlich, wieso innovative Ansätze im Pricing erforderlich seien. Hierzu gehöre beispielsweise die schwankende Preissensitivität der Kunden, die zunehmende Verbreitung von Internet und Social Media im privaten und geschäftlichen Bereich sowie neue IT- und Kommunikationstechniken. Unternehmen müssten sich einer fortschreitenden Digitali-sierung stellen und in Zeiten eines herrschenden Hyper-Wettbewerbs insbesondere das Potenzial von Big Data, also das zunehmende Vorhandensein von Kundendaten, erkennen und die sich daraus ergebenden Chancen im Auge behalten.

Anschließend leitete Prof. Dr. Fürst zum ersten Vortrag der Tagung aus wissenschaftlicher Perspektive an Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Diller (Vize-Präsident der WiGIM) mit dem Thema „Entwicklungslinien im Pricing“ über. Hier beleuchtete Prof. Dr. Dr. h.c. Diller zunächst die zunehmende Bedeutung des Pricing sowie das wandelnde Umfeld, das all jene Aspekte umfasse, die die Wirksamkeit der Preispolitik und -strategien beeinflussen können. Anschließend wurden strategische Stoßrichtungen im Pricing selbst untersucht, die sich in kundenorientiertes Pricing, digitalisiertes Pricing und neue Geschäfts-/Erlösmodelle unterteilen lassen. Die Prinzipien einer stärkeren Kundenorientierung könnten daher auch auf das Pricing übertragen werden. Die fortwährende Digitalisierung ermögliche den Einsatz von „Smart Pricing“ und könnte erhebliche Wertschöpfungsspielräume schaffen. Zusätzlich sei der Trend zur Entstehung neuer Geschäftsmodelle zu beachten, der zu einer Professionalisierung des Pricing führe. Die moderne Preispolitik sei daher im Speziellen von den zentralen Aspekten Internet, Big Data und Digitalisierung geprägt. Im Allgemeinen sollte dabei ein besonderer Fokus auf die Professionalisierung und Kundenorientierung gelegt werden

Möglichkeit zur Differenzierung durch Multikanal-Vertrieb

Anschließend stellte Matthias Nisster (Manager, Simon-Kucher & Partners) in seinem Vortrag „B2B-Pricing in Zeiten digitaler Vernetzung“ verschiedene Ansatzpunkte zur Schaffung eines nachhaltigen Erlösmodells im digitalen Zeitalter vor. Dies erfordere eine Neuausrichtung im Pricing, um den Kunden einen digitalen Mehrwert zu bieten. Ebenso entscheidend sei eine wertorientierte Leistungsdifferenzierung. Durch einen Multikanal-Vertrieb könnten Spielräume gekonnt genutzt werden, um Leistung und Preise wertorientiert zu differenzieren. Für den Vertrieb sollten klare Vorgaben für Preisverhandlungen gegeben werben, um diesen zu unterstützen. Dies könne durch die Methode des „Peer Pricing“ realisiert werden, bei der Preisempfehlungen darauf basieren, was die besten Kollegen (Peers) in vergleichbaren Situationen erzielen. Um im B2B-Pricing in Zeiten digitaler Vernetzung optimal aufgestellt zu sein, sei schlussendlich die Frage entscheidend, in welchem Ausmaß ein Unternehmen es schafft, seine Kunden im Pricing zu binden. Unternehmen sollten durch Bonus- und Loyalitätsprogramme Anreize zur Kundenbindung setzen, um in einem mobilen und vernetzten Umfeld einen digitalen „Lock-in“ zu schaffen.

Volker Giessler (Senior Industry Consultant, Teradata) thematisierte in seinem Vortrag „Pricing in Zeiten von Big Data“ die enorme Bedeutung von Big Data und den möglichen Nutzen für das Pricing. Das veränderte Konsumverhalten trage im besonderen Maße zur Generierung von Big Data bei, da Konsumenten immer häufiger Realtime-Informationen nutzen würden. Der Einsatz von Smart Data Technologies erweise sich hierbei als wichtige Grundlage, um verfügbare Daten profitabel zu nutzen. Insbesondere im Handel könne die Auswertung großer Datenmengen für das Pricing genutzt werden, um einen deutlichen Geschäftsnutzen zu erzeugen. Vier Lösungsbereiche würden dabei speziell in den Fokus rücken: Preisoptimierung, individuelles Pricing, verhaltensbasiertes Pricing und Monitoring von Mitbewerbern.

Anschließend zeigte Franz Blechschmidt (Geschäftsführer, Smart Pricer) mit dem Thema „Dynamic Pricing - Pricing in der Transformation in Zeiten der Digitalisierung” Ansätze zur dynamischen Preisgestaltung am Beispiel einer Kinokette auf. Mithilfe von Big Data und Kenntnissen über individuelle Kundenanforderungen sei es möglich in Echtzeit auf Nachfrageänderungen zu reagieren, ähnlich wie dies bereits in der Luftfahrtindustrie angewandt werde. Dies ermögliche den bisher statischen Preischarakter gemäß dem Motto „one-size fits all“ hinter sich zu lassen und sich durch differenzierte, analytische und datengestützte Preisstrategien in Richtung einer kundenindividuellen dynamischen Preislösung zu bewegen. In einem Pilotprojekt konnte bei einer deutschen Kinokette beispielweise durch eine dynamische Preissteuerung bereits eine Umsatzsteigerung von acht Prozent erzielt werden.

 

Globale Wettbewerbsfähigkeit im Pricing

Dr. Paul Artur Glenn (Leiter des Bereichs Globales Pricing von Dienstleistungen und Serviceteilen, Heidelberger Druckmaschinen AG) gab in seinem Vortrag „Globales Pricing: Herausforderungen, Methoden, Prozesse, Systeme“ Einblicke in das globale Pricing, um die Sales Performance eines Unternehmens übergreifend zu optimieren. Da eine lokale Perspektive im heutigen Hyper-Wettbewerb häufig nicht mehr ausreichend sei, gewinne globales Pricing zunehmend an Bedeutung. Das Ziel einer überregionalen Pricing-Strategie sei hierbei die Schaffung einer globalen Wettbewerbsfähigkeit, die insbesondere durch eine steigende Gewinnmarge und höhere Kundenzufriedenheit realisiert werden könne.

Im Anschluss referierte Wolfgang Gutting (Vize-Präsident der Geschäftsbereiche Leime und Tränkharze, BASF SE) über das Thema „Pricing im Produktgeschäft: Innovatives Commodity-Pricing“. Basierend auf der Feststellung, dass die Wert-vorstellungen von Unternehmen und Kunden in Bereichen wie Innovation, technischem Service oder Produktportfolio bei BASF nicht im Einklang waren, wurde eine strikte Reduktion der Kostenkomplexität einzelner Geschäftsbereiche durchgeführt. Durch die Fokussierung auf Bereiche mit klaren Kostenvorteilen konnte die Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesteigert sowie eine Kostenführerschaft im Commodity Bereich erzielt werden. Im Mittelpunkt haben hierbei vor allem die hohe Preistransparenz und die Umsetzung einer konsistenten Preislogik gestanden.

Simon Eichhorn (Teamleiter Produkt- und Preismanagement, MAN Truck & Bus AG) zeigte in seinem Vortrag „Pricing als Erfolgsfaktor im Aftersales“ vier grundlegende Erfolgsfaktoren im Bereich Aftersales auf. Zunächst sei hierbei wichtig das tatsächliche Aftersales-Marktpotential abzuschätzen, um den Marktanteil berechnen zu können. Dies werde bei MAN mithilfe eines standardisierten Tools ermittelt und durch ein browserbasiertes Interface jeder Vertriebsorganisation verfügbar gemacht. Zweitens sei für eine konsistente Bepreisungslogik das Gesamtportfolio zu strukturieren. Dies ermögliche mittels klarer Rabattstruktur eine deutlich größere Wettbewerbsorientierung. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei das Auffinden des richtigen Preises, um einen Marktreferenzpreis ableiten zu können. Hierzu würden sich besonders Methoden wie „Competitive Pricing“ und „Value-based Pricing“ eignen. Außerdem sollten vorhandene oder neu entstandene Marktpotenziale gekonnt und aktiv ausgeschöpft werden, indem bestehende Vertriebskanäle optimiert werden. Bei MAN habe man sich zusätzlich auf einen proaktiven Vertrieb fokussiert, um bei Fahrzeugen mittels Sensortechnik bereits vor einer möglichen Panne Wartungsarbeiten durchführen zu können.

Im letzten Vortrag stellte Prof. Dr. Thomas Werani (Abteilungsleiter B2B-Marketing, Johannes Kepler Universität Linz) das „Pricing im B2B-Wertschöpfungswettbewerb" in einem größeren Gesamt-zusammenhang vor. Im Fokus des Vortrags stand die Frage, wie ein Unternehmen einerseits sein eigenes Geschäftsmodell definiert und sich andererseits dadurch vom Wettbewerb abheben kann. Hierzu zeigte der Referent zunächst die immense Bedeutung des Preises im Wertschöpfungswettbewerb anhand eines Praxisbeispiels auf, um konkrete Implikationen für das Pricing ableiten zu können. Anschließend wurden verschiedene idealtypische Geschäftsmodell-ansätze für das Pricing vorgestellt. Als Fazit des Vortrags bleibt festzuhalten, dass Unternehmen noch profitabler sein könnten, wenn sie sich mit erfolgreichen Geschäftsmodellen auseinandersetzten und ein Bewusstsein über die Rolle des Pricing im jeweiligen Geschäftsmodell vorhanden wäre.

Zum Ende der Tagung rundete Prof. Dr. Dr. h.c. Diller die Veranstaltung mit den Key Findings zum Innovativen Pricing ab:

Im Laufe der Vorträge wurden viele „smarte“ Lösungen und Qualitätsmerkmale neuartiger Strategien im Pricing herausgearbeitet, die einen spannenden Einblick in das Thema Innovatives Pricing lieferten und zugleich das große Entwicklungspotenzial weiterer Methoden wie Smart Pricing, Big Data-basiertes bzw. digitalisiertes Pricing für Unternehmen aufzeigten. Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Diller weist darauf hin, dass Unternehmen die eigene Preispolitik auf mögliche Innovationspotenziale überprüfen sollten. Im Zuge dessen könne beispielsweise Big-Data gekonnt eingesetzt werden, um Erkenntnisse über das Potenzial und mögliche Risiken der eigenen Pricing-Strategie zu gewinnen. Ein deutlicher Trend sei hierbei das individuelle Pricing, was jedoch das „Denken in Systemen“ notwendig mache und eine gut durchdachte Handhabung dieser Systeme erfordere. Um in Zeiten von Hyper-Wettbewerb erfolgreich und zukunftsfähig zu bleiben, sollten Unternehmen somit Innovatives Pricing gezielt in den Fokus rücken, um u. a. Kundenreaktionen und Marktveränderungen abzuschätzen sowie Pricing zur verbesserten Kundensegmentation heranzuziehen. Der Aspekt Hyper-Wettbewerb sollte dabei nicht einfach als besonders intensiver Wettbewerb verstanden werden. Vielmehr könne man ihn als einen Wettbewerb verschiedenster Wertschöpfungsmodelle begreifen, in dem ein hohes Maß an Flexibilität sowie die Bereitschaft eines Strategiewechsels nötig seien. Dies wiederum entspräche einer vollkommen neuen Ebene des Wettbewerbs, der durch die schnelllebigen Veränderungen der Anforderungen bedingt sei und es für Unternehmen notwendig mache, individuelle Wertschöpfungsstrategien zu entwickeln. Im Hinblick auf den Trend der Digitalisierung sei es besonders wichtig, die Nutzenrelevanz digitaler Lösungen insbesondere aus Kundensicht zu überprüfen und im Allgemeinen verstärkt zum Value-Denken überzugehen, was grundlegend zur Reformierung der Preispolitik führen würde. Es scheint somit unabdingbar, den Kundenanforderungen mit digitalen Erlösmodellen entgegenzukommen.

Die Vorträge und Diskussionen der Tagung haben gezeigt, dass bisher kein Patentrezept für digitales bzw. Big-Data basiertes Pricing gefunden werden konnte, der Weg zu solch allgemein anwendbaren Lösungen jedoch bereits beschritten wird. In der Summe bedeutet das, dass für die Zukunft noch viel Spielraum für die Ausarbeitung innovativer Ansätze und Methoden im Pricing vorhanden ist, wir uns jedoch bereits mitten in der Umsetzung neuartiger und smarter Lösungen befinden, die es Unternehmen ermöglichen, erfolgreich und zukunftsfähig zu bleiben.

 

Wir möchten uns an dieser Stelle nochmals herzlich bei den Sponsoren des 6. Deutschen Marketing‐Innovations‐Tages bedanken.

6. Tagung

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